Ähnlich wie andere soziale Bewegungen entdeckten die Gewerkschaften Ende der 1970er Jahre das Medium Video als Möglichkeit, die eigenen Tätigkeiten zu dokumentieren. Die Aufnahmen der Gewerkschaften GTCP, GBH, GBI und SMUV sind aus verschiedenen Gründen bemerkenswert. Die Verbreitung von Consumerformaten wie U-Matic, VCR und VHS machte die Aufnahme von Videos finanziell erschwinglich und technisch auch für Laien schnell erlernbar. Im Unterschied aber zur Jugendbewegung etwa, die sich in kürzester Zeit die Möglichkeiten des Mediums aneignete, sich innovativ der verschiedensten Ausdrucksformen bediente und Agitations-, Kunst- und parodistische Videos drehte, beschränkte sich das gewerkschaftliche Videoschaffen in den Pionier- und Experimentierjahren auf rein Dokumentarisches: Aufnahmen existieren etwa vom Kongress der Gewerkschaft Textil Chemie Papier GTCP von 1978 in Luzern (Signatur: F 9013-025ff.), von einer Krisensitzung derselben Gewerkschaft 1977 (F 9013-019ff.) und von einer Jugendkonferenz der Gewerkschaft Bau und Holz (GBH von 1980, F 9013-031).
Die Aufnahmen sind zwar laienhaft, mit Tonstörungen behaftet und manchmal kurios lückenhaft oder langatmig. Als Zeitdokumente sind sie trotzdem von Bedeutung. Gerade die Aufnahmen des GTCP-Kongresses von 1978 und der erwähnten Krisensitzung geben einen Eindruck über den Zustand einer Gewerkschaft in schwieriger Zeit: Zum einen sorgten die Absatzeinbrüche in der Textilindustrie der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre und spektakuläre Schliessungen wie die des Firestone-Werks in Pratteln 1977 zu einer Krisenstimmung. Zum andern entwickelten sich auch in der GTCP Spannungen zwischen einer eher konsensorientierten alten Garde und jungen Kräften, die die bestehenden Verhältnisse mit kämpferischer Einstellung zu verändern trachteten. Die Kongressaufnahmen sind ein konzentriertes Zeugnis dieser konjunkturell und ideologisch bestimmten Krisenstimmungen der GTPC. Als Bonus können wir auch miterleben, dass der als Festredner engagierte Bundesrat Willy Ritschard nicht nur Reden hielt, die von Wortwitz und träfen Sprüchen sprühten, sondern auch schlechtere Tage hatte...
Im Verlauf der 1980er Jahre professionalisierte sich das gewerkschaftliche Videoschaffen. Mit der Herstellung von Bildungs- und Imagevideos nahm die Arbeiterbewegung eine Propagandamethode wieder auf, die zwischen 1930 und 1960 bereits zu einer ansehnlichen Reihe von Gewerkschaftsfilmen geführt hatte. Hervorzuheben sind aus dieser Zeit "Treu und Glauben – 50 Jahre Friedensabkommen in der Maschinen- und Metallindustrie" von 1988 (F 9011-002, dt. und frz. Fassung) oder „Sumoteam“ von 1995 (F 9011-007), der aus gewerkschaftlicher Perspektive eine partizipativere Form der Arbeitsgestaltung in einer Textilmaschinenfabrik schildert. Kämpferische Töne – wie sie zuletzt im Filmschaffen der Arbeiterbewegung der frühen 1930er-Jahre auftauchten – liessen lange auf sich warten. Die massiven weltwirtschaftlichen Umwälzungen und die neoliberale Offensive vieler Unternehmer in den 1990er-Jahren führten zu Betriebsschliessungen, Entlassungen und Verlagerungen der Produktion in Billiglohnländer. Die Gewerkschaften reagierten darauf zum Teil mit Kampfmassnahmen und unter anderem auch damit, mit Videoproduktion für eine grössere Öffentlichkeit und mehr Verständnis für ihre Anliegen zu sorgen. Schöne Beispiele dieser Strategie sind die Videos „Zyliss – Der Streik wird salonfähig“ von 2003 (Regie: Verena Endtner im Auftrag von SMUV und GBI, F 9011-014) oder „Les bras fonctionnent, c'est la tête qui va pas!“ von 2003, eine leidenschaftliche Dokumentation des Einsatzes von Giessereiarbeitern für ihre Arbeitsplätze bei den beiden jurassischen Von Roll-Werke in Choindez und Les Rondez (F 9011-016).