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Protesttag von Studierenden an der Universität Zürich vom 12. Juni 1980

SignaturCD 12_7_1
BestandF_1000 Vollversammlungen Jugendbewegung Zürich [TON]
Bestandesbeschrieb

Zu Beginn der 1980er Jahre formierten sich in einigen Schweizer Städten bedeutende Jugendbewegungen. Im Zentrum der Forderungen standen eine stärkere Berücksichtigung ihrer kulturellen Bedürfnisse durch die öffentliche Hand und möglichst autonome Freiräume. In Zürich wurde der Kampf um ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) besonders intensiv geführt. Die Auseinandersetzungen wurden oft auf der Strasse und gewalttätig ausgetragen. Die tiefe Abneigung vieler Jugendlicher gegen hierarchische Strukturen äusserte sich auch in der Art, wie diese Jugendbewegung ihre Forderungen, Strategien und Aktionen festlegte: Nicht Leaderfiguren oder exklusive Führungszirkel entschieden über den nächsten Demonstrationstermin oder die Verhandlungstaktik mit der Stadt, sondern die für alle Interessierten zugängliche Vollversammlung. Das Sozialarchiv verfügt über Aufnahmen der ersten zehn Vollversammlungen aus dem Zeitraum zwischen dem Opernhauskrawall, der die Bewegung ausgelöst hatte, und der Eröffnung des AJZ an der Limmatstrasse. Die Aufnahmen entstanden zwischen dem 1. und 28. Juni 1980 in der Roten Fabrik, im Volkshaus, im Platzspitz Park oder im Festzelt vor dem Opernhaus. Die Vollversammlungen waren vor allem in der Anfangszeit Massenanlässe mit bis zu 3’000 Teilnehmenden. Trotz dieses grossen Andrangs und oft stundenlanger Debatten um strategische Finessen dürften die Vollversammlungen – neben dem Druck von der Strasse – wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Stadt nur einen Monat nach den Ereignissen vor dem Opernhaus der Jugend die Liegenschaft an der Limmatstrasse als Treffpunkt überliess. Nach rund 30-stündiger Debatte an zehn Vollversammlungen und mehreren Demonstrationen hat die Jugendbewegung ihr Hauptziel erreicht: Am 28. Juni 1980 wird das AJZ mit einer (leider nicht mehr überlieferten) Vollversammlung und einem Fest eröffnet.

Zu Beginn der 1980er Jahre formierten sich in einigen Schweizer Städten bedeutende Jugendbewegungen. Im Zentrum der Forderungen standen eine stärkere Berücksichtigung ihrer kulturellen Bedürfnisse durch die öffentliche Hand und möglichst autonome… — mehr...

AbstractIn dieser Vollversammlung sprechen vor allem die Studentinnen und Studenten. Vertreter des Projekts Community Medien informieren zuerst über die Situation betreffend Verbot des Videofilms von den Opernhauskrawallen durch Regierungsrat Alfred Gilgen. Anschliessend informieren die Fachvereine der Studierenden über ihre konkrete Studiensituation. Dabei kommen vor allem die Themen Repression, Sparmassnahmen, Mitbestimmung und Selektion zur Sprache. Es entsteht die Idee, ein Antigilgentribunal durchzuführen und dabei das repressive Erziehungssystem aufzuhängen. Ein Vertreter der Schülerversammlung der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene (KME) berichtet vom Schülerstreik und solidarisiert sich mit der Jugendbewegung und den Studenten. Im Verlauf der Debatte bietet Universitätsrektor G. Hilty in einem kurzen Auftritt seine Gesprächsbereitschaft an. Weiter wird über einen Universitätsboykott oder Vorlesungsstreiks sowie über ein Studienreformseminar debattiert. Die Versammlung bespricht das weitere Vorgehen, beschliesst einen zusätzlichen Aktionstag und verabschiedet eine Resolution. In dieser wird unter anderem auch die Absetzung von Erziehungsdirektor Gilgen gefordert. Teil 1/3: Vertreter und Vertreterinnen der Fachvereine äusseren Forderungen, die herzlich wenig mit den Anliegen der Jugendbewegung zu haben, sondern Universitätsinterna betreffen: Berufungen für Lehrstühle, fehlende Mitbestimmung, Budgetkürzungen.
Schlagwörter
  1. Bildung (allgemein)
  2. Unterrichtswesen (allgemein)
  3. Stufe des Bildungssystems
  4. Hochschulwesen
  5. Universität
  1. politischer Rahmen
  2. politisches Leben (allgemein)
  3. politische Bewegung
  4. Jugendbewegung
Geopolitik
  1. Europa
  2. Schweiz
  3. Zürich, Kanton
  4. Zürich, Stadt
Periode
  1. Neuzeit
  2. 20. Jh.
  3. 1951-2000
  4. 1971-1980
  5. 1980
Personen
  1. Gilgen, Alfred (1930-2018)
  1. Nigg, Heinz (1949-
weitere Beteiligte
  1. Memoriav (Projektmitfinanzierung)
Objektträger
  1. Tonaufnahme
  2. Magnetband
  3. Kompaktkassette
Sprache
  1. schweizerdeutsch
Detailinformation
HINWEIS: DIE UNTERTEILUNG IN TRACKS BETRIFFT NUR DEN AUSLEIHBAREN, PHYSISCHEN TRÄGER (CD).

[Track 01]

00:00:00 Freier Lehrauftrag wurde auf aufgrund von Budgetkürzungen gestrichen.

00:02:31 Stellungsnahme des Ethnologischen Seminars zur Zensur des Filmes: Die Projektgruppe Community Medien respektiert nur das Verbot, den Film an der Universität nicht mehr zu zeigen. Seit dem letzten Dienstag verlangt Regierungsrat Gilgen sämtliches Rohmaterial und Kopien des Filmes. Heinz Nigg und die Studierenden schlagen dagegen vor, das Video im Beisein der Projektgruppe bei RR Gilgen vorzuführen. Heinz Nigg macht auf sein aufliegendes Buch aufmerksam, dass die Arbeitsweise der Videofilmgruppe dokumentiert.

00:06:28 Ende Track01

[Track 02]

00:00:00 Ein Jugendlicher verliest die Resolution des Ethnologischen Seminars: „Die Studentinnen und Studenten des Ethnologischen Seminars wehren sich ganz entschieden gegen willkürliche Eingriffe in den wissenschaftlichen Forschungsbetrieb durch politische Aufsichtsbehörden. Der Entscheid das Projekt der betroffenen Studenten durch einen Telefonanruf abzustoppen, entbehrt jeder Rechtfertigung, da Herr Gilgen weder über den Hergang der Untersuchung, noch über Ziel und Absichten derselben informiert war. Zur sozialwissenschaftlichen Methode der Aktionsforschung, welche die Projektgruppe Community-Medien angewendet hat, gehört es mit dem Betreffenden in einem wechselseitigen Austausch zu stehen, mit ihnen laufend über die Ergebnisse zu diskutieren und ihnen das wissenschaftliche Material zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang steht auch die Filmvorführung im Volkshaus. Als Wissenschaftler sind wir auf das Vertrauen derjenigen, die uns die Informationen liefern, angewiesen und dazu verpflichtet den Schutz ihrer Persönlichkeit zu gewährleisten. Herr Professor Löffler hat sich hinter die Arbeit der Gruppe Community-Medien gestellt. Er teilt die Auffassung, dass das Videodokumentationsmaterial vertraulich zu behandeln ist. Wir solidarisieren uns mit der Projektgruppe Community-Medien, Herrn Dr. H. Nigg und Professor Löffler und verlangen, dass der Erziehungsdirektor die Freiheit der Forschung und Lehre respektiert. Wir fordern die Aufhebung des Vorführungsverbots und die Freigabe der Aufnahmegeräte. Weiterhin fordern wir vom Gesamtregierungsrat gegen die vorgefallene Beeinträchtigung der Forschungsfreiheit einzuschreiten und die nötigen Schritte zu unternehmen, um sie künftig zu gewährleisten und damit auch für die Verlängerung des Lehrauftrages von Dr. Nigg zu garantieren. – Die Studenten und Assistenten des Ethnologischen Seminars.“

00:02:32 Ein Jugendlicher betont das Ultimatum, dass nun um 14 Uhr abgelaufen sei. Er bittet die Vertreter der Fachvereine, ihre Forderungen dem Publikum bekannt zu geben.

00:03:39 Ende Track02

[Track 03]

00:00:00 Fachverein des Ethnologischen Seminars schildert die massive Erhöhung der Studentenanzahl an der Universität und das daraus entstehende Problem, dass die zur Verfügung stehende Stundenanzahl der Lehrkörper für den Unterricht an diese Erhöhung nie angepasst wurde.

00:01:33 Fachverein Geschichte beschwert sich über drei grundlose Ablehnungen von Lehraufträgen von Tutoraten. Weitere Forderungen betreffen die Studienreform. U. a. fordert er Mitbestimmung im Bezug auf die Anstellung von Assistenten.

00:03:10 Fachverein Germanistik fordert ein stärkeres Mitbestimmungsrecht in den universitären Gremien und einen massiven Ausbau des Lehrangebotes.

00:04:38 Fachverein Philosophie fordert die Rücknahme der Verkürzung der Lehraufträge. Des Weiteren fordert er u. a. die Abschaffung der Lateinpflicht für Nebenfachstudenten Philosophie.

00:07:46 Ende Track03

[Track 04]

00:00:00 Pädagogischer Fachverein fordert Mitbestimmungsrechte betreffend Lehraufträgen. Bei Institutsvereinbarungen soll ein verbrieftes Anrecht auf einen Lehrauftrag pro Semester enthalten sein. Weiter fordert er die Abschaffung des Kriteriums „Wissenschaftlichkeit“ im freien Lehrauftrag. Zudem fordert der Fachverein, dass Arbeiten aus den freien Lehraufträgen als volle Seminararbeiten anerkannt werden.

00:03:13 Fachverein Psychologie: Vertreter äussert den Unmut über die Kontrolle des Videomaterials, die letzte Woche im Psychologischen Institut stattgefunden hat. Er macht den Vorschlag, die Kommunikationsprobleme von RR Gilgen und den Studenten in den Vorlesungen und Seminaren zu thematisieren.

00:05:29 Ende Track04

[Track 05]

00:00:00 Fachverein Soziologie fordert mind. eine Stunde pro Semester, die für einen Dozenten nach Wahl der Studenten zur Verfügung gestellt wird. Zudem solidarisieren sich die Soziologiestudenten Zürich mit den Soziologiestudenten aus der französischen Schweiz, die vom Nationalfonds für sozialkritische Studien keine Gelder mehr erhalten und deshalb eine demokratische Strukturierung des Nationalfonds fordern.

00:01:55 Fachverein Ökonomie ist mit der Situation zufrieden. Die Studenten können ihr Anliegen anbringen und auch die gewünschten Lehraufträge wurden bisher immer bewilligt.

00:05:27 Ende Track05

[Track 06]

00:00:00 Fachverein Volkskunde verliest einen Brief an Prof. Löffler: „Lieber Herr Prof. Löffler, Ethnologiestudenten haben im Rahmen einer Lehrveranstaltung einen Videofilm gedreht. Die Vorführung dieses Films ist verboten worden, obschon eine Publikation und Diskussion des erarbeiteten Materials mit den direkt Betroffenen von Anfang an erklärtes Ziel dieser Lehrveranstaltung war. Die Arbeitsmethoden und Erhebungstechniken der Ethnologie sind auch die unsern. Auch wir könnten jederzeit in die gleiche Situation kommen. Wir sehen unsere Lehr- und Forschungsfreiheit als Sozialwissenschaftler gefährdet und erklären uns deshalb mit ihnen und der Arbeitsgruppe Community Medien solidarisch. Wir danken Ihnen für Ihre mutige Stellungnahme in einer Angelegenheit von so prinzipieller Bedeutung.“

00:01:39 Fachverein Jus kritisiert die Unterrichtsmethoden, die Motivation der Professoren.

00:04:42 Fachverein Linguistik schildert die Situation eines ausländischen, nebenamtlichen Lektors des Seminars, der keine weitere Aufenthaltsbewilligung erhält, obwohl er seit längerem in der Schweiz wohnt. An der Universität hat er einen Lehrauftrag und ist als amerikanischer Lektor von grosser Bedeutung. Die Studenten fordern nun, dass diesem Lektor erneut eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung erteilt wird.

00:09:50 Ende Track06

[Track 07]

00:00:00 Fachverein der Romanisten beklagt sich über das mangelnde Mitspracherecht.

00:02:12 Fachverein Geografie fordert mehr Mitspracherecht bei der Wahl neuer Professoren am Institut. Ausserdem beklagt er sich über den Missstand, dass die Studenten bei der Ausarbeitung eines neuen Lehrplanes kein Mitspracherecht erhielten. Ein weiterer Student schildert eine Situation, in der ein Professor alle „linken“ Arbeiten verboten hatte. Als man ihn fragte, was er mit „links“ meine, antwortete er: „Links ist alles, was die Privilegien einer Elite in Frage stellt“.

00:05:06 Ende Track07

[Track 08]

00:00:00 Der Moderator stellt fest, dass das Thema „Lehraufträge“ relativ zentral ist und kündigt ein Mitglied der Lehrauftragskommission an, der die Studenten gerne informieren möchte.

00:00:11 Informationen des Mitglieds der Lehrauftragskommission.

00:01:29 Ein Jugendlicher der Kantonsschule für Erwachsene schildert den heutigen Streik der Schule und die Solidaritätserklärung mit den Studenten und der Jugendbewegung. Er verliest ein Pressecommuniqué: „Die Schülervollversammlung der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene (KME) hat sich heute Donnerstagmorgen während der Schulzeit versammelt, um zu den Ereignissen die Zürcher Jugend und die Studenten betreffend Stellung zu nehmen. Das Problem Gilgen existiert nicht nur an der Universität und nicht erst seit heute. Deshalb drehte sich unser Gespräch auch um Forderungen von uns KME-Schülern, die seit Jahren gestellt werden, ohne je zu Erfolg zu gelangen. Wir haben eine Liste von Forderungen aufgestellt, die der Erziehungsdirektion zugestellt wird: 1. Rücktritt von Erziehungsdirektor Gilgen.

00:04:16 Ende Track08

ZitationsvorschlagTonaufnahme: Urheber:in unbekannt/CD 12_7_1
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